Tageskilometer: 89,13 Km (Hurtigruten 47,6 Km nicht enthalten)
Tageshöhenmeter: 901 Hm
Gesamtkilometer: 121,85 Km
Gesamthöhenmeter: 1.421 Hm
Gesamtkilometer Schiff: 47,60 Km
Heute muss ich mal über Glück reden. Neben dem Glücksarmband von Luisa und Lena habe ich seit gestern noch einen Schlüsselanhänger und einen Glücksbringer dabei, die mir gestern meine Frau am Nordkap geschenkt hat. Jetzt bin ich mit dreifachem Glück ausgestattet und das konnte ich heute gut gebrauchen.
Um 4:45 Uhr ist die Nacht zu Ende. Das ist die zweite Nacht hintereinander mit nur 5 Stunden Schlaf. Ich hoffe, dass ich die knapp 90 Kilometer einigermaßen gut überstehe und heute Abend früh ins Bett gehen und gut schlafen kann.
Um 5:30 Uhr steht mein Gespann am Hafen von Honningsvag. Meine Frau und unsere Freundin Martina bringen noch den Leihwagen zurück, und wir warten gemeinsam auf Kong Harald, unser Hurtigruten-Schiff, dass uns von Honningsvåg nach Havøysund bringen soll, wo ich dann aussteige und losradeln werde. Um 6:00 Uhr geht's pünktlich los. Wir schauen nochmal auf Honningsvåg zurück und frühstücken noch gemeinsam an Bord - sehr lecker! Wir kommen mit etwas Verspätung in Havøysund an. Ich verabschiede mit noch von meiner Frau und Martina und dann radle ich los. Soweit so gut!
Kurz nach 9:00 Uhr. Die Kong Harald ist in Havøsund angekommen und entlässt mich und das Gespann aus ihrem Bauch. Ich fahre die ersten Meter völlig alleine in die totale Abgeschiedenheit (Video rechts).
Nach der Überquerung der Brücke über den Havøysund habe ich noch einen letzten Blick auf die Kong Harald, die den Hafen in Richtung Hammerfest verlässt. Ich radle durch die totale Einsamkeit, den Fjäll, das norwegische Outback. Ich radle in Richtung Südosten und der Wind kommt sehr stark aus östlicher Richtung. Der heftige Gegenwind wird noch heftiger durch lange und steile Anstiege. Das klappt aber alles recht gut.
Zu sehen gibt es wenig, außer eine Lachszucht im Fjord und eine größere Herde Rentiere, die es sich gemütlich gemacht hat.
Aber dann holt mich mein Problem von gestern wieder ein: Die Sattelstütze, die sich langsam nach unten in das Sattelrohr schiebt. Das erschwert das Fahrradfahren extrem, da ich keinen richtigen Druck auf die Pedale bringen kann, aber meine Knie durch die falsche Belastung immer mehr schmerzen. An einem kleinen Bauhof leiht mir ein Mann einen Schraubendreher, und ich stelle den Sattel wieder richtig ein und drehe die Schraube ordentlich zu. Es ist eine Erlösung, wieder mit dem richtig eingestellten Sattel zu fahren. Aber die Freude sollte nur von kurzer Dauer sein. Nach ca. 10 Kilometern - ich habe ungefähr die Hälfte des heutigen Tages hinter mir - fahre ich zu einem kleinen Haus, um nach Hilfe zu fragen. Eine neue Schraube muss her! Eine Frau deutet mir, ich solle einfach ins Haus gehen. Da würde mir schon geholfen. Ich klopfe an einer Tür und ich werte die Stimme als "Herein". Ich stehe im Wohnzimmer und zwei Herren um die 70 lesen gerade ganz relaxed. Ich erzähle ihnen von meinem Problem und beide gehen sofort mit nach draußen, um sich das anzusehen. Der eine Bruder war Grafiker bei Alta Posten, einer Tageszeitung, der andere Bruder war Ingenieur. Während der Ingenieur sich sofort auf die Suche nach einer vernünftigen Schraube macht, plausche ich mit dem Grafiker-Bruder ganz spontan drauf los. Er erzählt mir von seiner ehemaligen Arbeit, von dem kleinen Dorf, in dem sein Bruder und er jetzt wieder Wohnen. Sie waren beruflich beide verzogen und sind nach ihrem Arbeitsende wieder in das kleine Dorf gezogen, weil sie dort aufgewachsen sind. Außerdem gibt mir der Grafiker-Bruder mit auf den Weg, dass ich hier in Nord-Norwegen überall nach Hilfe fragen kann. Man wird mir immer helfen. Der Ingenieur-Bruder findet letztendlich keine Schraube, schraubt aber die bereits stark angeschlagene Schraube so fest in die Sattelklemme, wie er nur kann. Wir hoffen alle drei, dass das nun hält. Ich verabschiede mich von Ihnen, sie winken mir noch hinterher und ich radle wieder weiter. Ich bin schwer beeindruckt von so viel Herzlichkeit und Hilfsbereitschaft. Ich hoffe, dass ich die letzten 45 Kilometer jetzt problemlos hinter mich bringe, aber Pustekuchen!
Der Sattel senkt sich weiterhin langsam. Alle 10 Kilometer bleibe ich stehen und ziehe den Sattel wieder so weit aus, dass ich bequem radeln kann. Während des Weges denke ich, dass heue Abend unbedingt eine neue Schraube hermuss, die man ordentlich festziehen kann. Vielleicht gibt es ja einen Bikeshop.
Als ich am Turistsender in Olderfjord ankomme, werde ich von einer äußerst freundlichen Frau begrüßt. Sie weiß sogar, dass ich der bin, der mit dem eBike kommt. Sie erklärt mir alles und händigt mir meine Zimmerschlüssel aus. Ich frage sie, ob es ein Bike-Repair gibt, und sie antwortet mir leider nein. Aber es gibt einige sehr gute Handwerker, die zwar keine gebrochenen Herzen, aber gebrochene Schrauben reparieren könnten. Sie ruft sofort einen an. Klaus ist in 5 Minuten da und findet eine Schraube, zwar nicht optimal, weil sie einen Schlitzkopf hat, aber er zieht sie ordentlich fest. Er zeigt mir noch, wo ich mein eBike aufladen kann und kommt wenige Minuten später noch mit einer zweiten passenden Schraube mit Imbuskopf, sozusagen als Reserve.
Das ist das zweite Mal an diesem Tag, dass ich diese tolle Hilfe erfahren darf.
Mein Freund Harald schickt mir eine Mitteilung, dass die Firma Brose, ein Automobilzulieferer, trotz der im Moment schwierigen wirtschaftlichen Situation 1.000 Euro für mein Projekt spenden wird. Herzlichen Dank dafür!
Also, das Glücksarmband, der Schlüsselanhänger und der Glücksbringer helfen!
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