Tageskilometer: 133,15 Km
Tageshöhenmeter: 1.006 Hm
Gesamtkilometer: 4.620,06 Km
Gesamthöhenmeter: 30.915 Hm
Gesamtkilometer Schiff: 101,25 Km
Gestern Abend war noch ein besonderer Abend. Neben neuen Gästen, die auf dem von mir schon beschriebenen V51a die Tour de Bourgogne für Fahrradtouren fahren, kamen noch einige Freunde mit ihren Kindern von Stéphane und Veronica zu Besuch.
Die Radfahrer wurden nach ihrer Tour von Stéphane mit kühlen Getränken versorgt, die Kinder plantschten mit riesigem Spaß im Pool und spielten dann. Die Freunde unterhielten sich angeregt. Es war eine herrlich entspannte Atmosphäre.
Nachdem ich Stéphanes Meinung nach Kraft brauche für die morgige Etappe, bereitet Veronica für mich Bratwürste mit Kartoffelbrei und einem schönen Beilagensalat zu. Mein Abendessen kann ich am Pool zu mir nehmen, wo sich das fröhliche Beisammensein abspielt.
Stéphane und Veronica wollen gerne ein gemeinsames Foto, dass ich ausdrücklich in meinen Blog stellen soll - voilà!
Ich komme mit den Freunden ins Gespräch, von denen zumindest eine Freundin recht gut Englisch spricht. Sie wie die anderen entschuldigt sich für ihr Englisch, ja sie schämen sich eigentlich dafür. Ich meine, dass wir uns doch wunderbar unterhalten können. Eine der Freundinnen meint, das Problem bestehe darin, dass in Frankreich die Kinder die erste Fremdsprache erst mit 11 Jahren zu lernen beginnen. Die Wichtigkeit von Fremdsprachen wird ihrer Meinung nach nicht so ernst genommen wie es eigentlich nötig wäre.
Dann verabschieden wir uns alle herzlich, da ich morgen früh loswill. Sie wünschen mir viel Glück auf meiner Tour, nachdem ihnen Stéphane davon erzählt hat. Veronica umarmt mich herzlich und ich gehe in mein Zimmer, um alles für den morgigen Tag vorzubereiten.
Ich bin glücklich, an diesem besonderen Ort bei diesen besonderen Menschen übernachtet zu haben. Das sind die Erlebnisse, von denen ich auf meiner Tour zehre und die mir ewig in Erinnerung bleiben werden.
Um 5:25 Uhr klingelt der Wecker. Nach der Morgentoilette finde ich vor meiner Tür ein liebevoll zusammengestelltes Frühstückskörbchen mit Baguette, Butter, Marmelade und Kaffee; einfach aber lecker wie es üblich ist, und mir vollkommen ausreicht.
Um kurz nach 6:00 Uhr fahre ich ab. Davor wische ich den Sattel des Fahrrads ab, der zum ersten mal feucht ist. Auch in Frankreich kündigen trotz der enormen Hitze untertags die ersten Boten den Herbst an. Es ist dunkel und das Navi schaltet das Display zum ersten Mal auf meiner Tour in den Nachtmodus. Die Temperaturen bewegen sich zwischen angenehmen 11o C bis 14o C. Auf den Straßen, die ich die ersten Kilometer fahre, ist nichts los. In Digoin überquere ich die Loire.
Die Silhouetten der Charolais-Rinder sind durch den Bodennebel erst auf den zweiten Blick zu erkennen; was für ein stimmungsvoller Moment!
Dann biege ich auf den Fahrradweg und fahre ein Stück am Canal latèral á la Loire, der zu einem komplexen Verbund von Schifffahrtswegen gehört, entlang. Ich glaube jetzt auch zu wissen, warum die Franzosen einen derart großen Aufwand mit ihren Kanälen und Schleusen betreiben. Weil es einfach schön ist!
Kurz vor Coulanges, während gerade die Sonne erscheint, überquere ich die Europastraße 62, die das französische Nantes mit dem italienischen Genua verbindet.
Nach dem Sonnenaufgang bleiben die Temperaturen angenehm. Es ziehen hügelige Bilderbuchlandschaften an mir vorbei. Wie auf Postkarten winden sich die kleinen Nebenstraßen, auf denen ich unterwegs bin durch Felder und kleinere Ortschaften. Ab und zu ist ein einzelner Bauernhof zu sehen.
Ein paar Kilometer führen mich allerdings auch über Feldwege der höchsten Kategorie, wie man im Tour de France-Jargon sagen würde. Sie sind extrem steinig und holprig oder sandig, so dass die Reifen des Gespanns versinken. Ein paarmal muss ich kurz anhalten und neu anfahren. Das erinnert mich an meinen Weg von Rostock nach Lübz.
Ungefähr nach der Hälfte meines heutigen Weges erreiche ich Vichy, das als bedeutendstes Heilbad Frankreichs gilt. Jeder wird auch in den Getränke- und Supermärkten schon mal das Mineralwasser mit dem Namen Vichy gesehen haben. Auf dem Fahrradweg fahre ich am künstlich angelegten Lac d'Allier entlang, der vor und nach Vichy der Fluss Allier ist. Das Gewässer wird für Wassersportveranstaltungen genutzt. Es sind einige Ruderer und Wasserskifahrer unterwegs.
Es wird langsam wärmer und wärmer. Das Navi lotst mich teilweise sehr einfallsreich über Feldwege, die fast nicht als solche zu erkennen sind. Obwohl für die Sonnenblumen mit der Ernte langsam aber sicher das Ende naht, strecken sie ihre hängenden Köpfe der Sonne entgegen. Am Horizont kann ich die ersten Ausläufer des Zentralmassivs sehen.
Die Hitze wird jetzt langsam unerträglich. Um 11:00 Uhr übersteigen die Temperaturen die 30o C-Marke. Gegen den Flüssigkeitsverlust kann ich zwar viel trinken, aber das Problem ist, dass die Sonne trotz Helm und Unterziehkäppi erbarmungslos auf meinen Kopf sticht. Ich merke deutlich, dass mir das nicht guttut und hoffe sehr, dass es bald endlich kühler wird untertags. Ich habe leichte Kopfschmerzen und bin abgeschlagen. Es war wieder einmal absolut richtig, dass ich sehr früh am Morgen gestartet bin. Auf die Dauer kann ich in dieser extremen Hitze nicht fahren. Sonst geht das auf meine Gesundheit.
650 Meter vor meinem heutigen Etappenziel, dem B&B Hotel Clermont-Ferrand Sud Aubière eben in Clermont-Ferrand, geht's auf einmal nicht mehr weiter. Das Navi leitet mich über einen Parkplatz, dessen Schranke verschlossen ist. Durch den Spalt an der Seite kann ich zwar das Fahrrad durchschieben, aber nicht den Anhänger. Also, nehme ich die Packtasche ab, schiebe das Gespann durch den Spalt, indem ich den Anhänger etwas hochhebe. Dann packe ich die Packtasche wieder auf den Anhänger, und ich komme bei brütenden 36o C mit leichten Kopfschmerzen an.
Eine Rezeption gibt es, aber die ist nicht besetzt. Ich habe per eMail und SMS einen Zugangscode zu meinem Zimmer bekommen. Das funktioniert auch wunderbar.
Heute bin ich von der Region Bourgogne-Franche-Comté in die Region Auvergne-Rhône-Alpes gefahren. Ich finde, nach meinen Erklärungen über die Organisation Frankreichs wieder einmal ein kleines Preisausschreiben fällig ist. Wenn ich in der Region Auvergne-Rhône-Alpes in die Stadt Clermont-Ferrand gefahren bin, in welchem Département und in welchem Arrondissement bin ich jetzt. Wer mir zuerst die richtige Lösung zuschickt, bekommt ein kleines Biertasting durch die bekanntesten Bierstile Europas mit einer kleinen Brotzeit.
Obwohl es so heiß ist, muss ich etwas essen und trinken. Ich habe heute auf dem Fahrrad 2.683 Kcal und knapp 4 Liter Flüssigkeit verbraucht. Direkt neben dem Hotel gibt es das Steakhouse und Burger-Restaurant La Boucherie, und weil ich keine Lust habe, bei dieser Hitze großartig rumzulaufen, gehe ich dort hin.
Der Burger ist wie bestellt medium und sehr gut. Als Getränk gibt's eine eisgekühlte Cola und einen Liter Wasser. Auch wenn es schmeckt, muss ich mich zwingen, bei diesen Temperaturen zu essen.
Gezahlt wird drinnen. Das Witzige ist, dass der Kassierer immer mit einer Glocke läutet und laut durchs Restaurant ruft, wenn jemand Trinkgeld gibt, was ich gerne tue. Nachdem der Kassier laut gerufen hat, kommt vom gesamten Servicepersonal ein lautes Merci Beaucoup zurück.
Auf ein Thema muss ich noch eingehen. Immer wieder stehen in Frankreich am Straßenrand Schilder, die Autofahrer darauf hinweisen, dass sie beim Überholen von Fahrradfahrern einen Mindestabstand von 1,5 Metern einhalten müssen.
Ich muss den französischen Autofahrern ein großes Lob aussprechen. Seitdem ich in Frankreich fahre, ist auffällig, dass die Autofahrer sehr rücksichtsvoll sind. Damit meine ich, dass sie beim Überholen sehr viel Sicherheitsabstand lassen. An Zebrastreifen bleiben sie sofort stehen, wenn ich diese überqueren muss, um auf die andere Seite zu kommen.
Bisher bin ich ja die meiste Zeit auf wunderbaren Fahrradwegen unterwegs gewesen, aber heute habe ich auch viele untergeordnete Landstraßen befahren. Das war alles problemlos möglich.
Ich bin der Meinung, dass es diese Schilder auch bei uns geben sollte, da viele Autofahrer garnicht wissen, wieviel gesetzlichen Mindestabstand sie beim Überholen von Fahrradfahrern halten müssen,.
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Martina (Samstag, 13 August 2022 09:23)
Wow sind das wieder schöne Bilder, allen voran das mit den Rindern im Morgennebel! Ich freue mich jeden Morgen, auf mein trainingsfahrrad zu steigen und deinen Blog zu lesen und die tollen Fotos zu sehen! Schade, dass es leider überall Köche gibt, die ihr Handwerk nicht verstehen � dafür umso schöner, dass Du immer wieder so nette Leute triffst wie Stephane und Veronica, seht gut ausgewählt die Unterkunft! � ich habe gestern gehört, dass es Apps gibt, die einen fotografierten Text übersetzen, vielleicht funktioniert das ja auch mit Speisekarten?
Ich hoffe, dass die Temperaturen langsam sinken, damit du nicht mehr bei 30 Grad und mehr radeln musst �
Ich wünsche Dir weiterhin so tolle Radwege und Begegnungen und freu mich schon auf morgen früh �
Ganz liebe Grüße, Martina
Wolfi (Samstag, 13 August 2022 10:33)
Liebe Martina,
es freut mich sehr, dass du mir so lieb schreibst. Und es freut mich auch, wenn dir mein Blog mit den Bildern soviel Freude bereiten. Ich hatte wirklich Respekt, um nicht zu sagen Angst, vor Frankreich nach meinen Negativerlebnissen in der Jugend, aber ich kann sagen, dass ich bisher nur freundliche und hilfsbereite Menschen kennengelernt habe. Dir wünsche ich weiterhin viel Spaß bei deinem morgendlichen Radeln und überhaupt eine schöne Zeit.
Liebe Grüße