Tageskilometer: 103,46 Km
Tageshöhenmeter: 655 Hm
Gesamtkilometer: 5.234,07 Km
Gesamthöhenmeter: 36.362 Hm
Gesamtkilometer Schiff: 101,20 Km
Gestern Abend konnte ich noch ein witziges Schauspiel genießen. Jeder von uns kennt "Dinner for One"; jährlich am Silvesterabend um 19:00 Uhr von allen möglichen Sendern ausgestrahlt.
Ich konnte gestern Abend einem Dinnner for Three oder sollte ich besser sagen for Five beiwohnen. Die Hotellerie de La Roseraie ist ein altes durchaus stilvolles Haus. Zumindest sehen das die Gastgeber so. Es stehen alte Büsten rum, die Einrichtung ist irgendwo zwischen Barock und Biedermeier gestylt. Es gibt einen Salon zum Essen und in dem sitze ich Punkt 19:30 Uhr. Nach knapp 110 Kilometern und der knappen Portion Spaghetti Fruit au Mer am Mittag habe ich wieder Hunger. Ich sitze so wie ich es gerne habe, dass ich möglichst den gesamten Raum im Blick habe. Das sollte sich heute auszahlen.
In circa 5 bis 6 Metern Entfernung mir gegenüber stehen drei Tische mit je einem Gedeck fein säuberlich nebeneinander. An jedem dieser Tische nimmt jeweils eine ältere Dame, jede so um die 80 Jahre, Platz. Wir nennen die Damen mal von links nach rechts Miss Sophie I, II und III. Die drei sind Freundinnen, und hatten vorher draußen auf der Terrasse schon einen Digestiv gemeinsam. Auf halben Weg zwischen den Damen und mir platziert sich ein Paar, so Mitte 50. Sie sitzen ganz links im Saal, so dass ich frei Sicht auf die drei Sophies habe. Die Frau des Hauses blickt auf die drei Damen, der Mann hat die drei im Rücken. Wir bilden sozusagen ein Dreieck. In einer weiteren Hauptrolle bei diesem Dinner darf natürlich James nicht fehlen. Den spielt der Chef des Hauses. Die drei Sophies und das Paar sind mehrere Tage hier. Somit haben sie das Standarddinner gebucht. Das könnte ich auch haben, aber ich tanze aus der Reihe. Über mein Essen brauchen wir keine weiteren Worte zu verlieren. So gut war es nicht, außerdem steht ja das Dinner for Three oder Five im Vordergrund.
James serviert als erstes die Getränke. Wie es in Frankreich üblich ist, bekommt jeder eine Karaffe Wasser auf den Tisch. Sophie I, also ganz links sitzend, bekommt ihre angebrochene Rotweinflasche von Vortag dazu, Sophie II ihre Roseflasche, Sophie III kriegt nichts. Die drei unterhalten sich angeregt und tun recht vornehm. Das Paar links vor mir bekommt Weißwein. Sie unterhalten sich auch angeregt und fröhlich.
Dann erscheint James mit einem riesigen Pott und einer Suppenkelle. Er stellt den Pott bei Sophie III an den Tischrand und sagt "La soupe" (Die Suppe). Sophie III fragt, welche Suppe es sei. James antwortet "Carotte". Dann schöpft er mit der Suppenkelle drei Ladungen in den Teller. James geht mit seinem Pott weiter zu Sohie II, die winkt aber ab, weil sie noch mit ihrem Brot beschäftigt ist. James geht einen Tisch weiter zu Sophie I. Er stellt seinen Pott wieder auf den Tischrand und sagte "La soupe". Sophie I fragt, was es denn für eine Suppe sei. James antwortet "Carotte". Er schöpft wieder drei Suppenkellen in den Teller, um dann mit seinem Pott zum Pärchen zu gehen. Die haben wohl in der Zwischenzeit mitbekommen, welche Suppe es gibt, und James schöpft drauf los. Jetzt meint James, seinen Job erledigt zu haben, und will mit dem Pott wieder in die Küche. Da stoppt ihn Sophie II und meint, dass sie ja noch keine Suppe hatte. James stellt den Pott auf den Tischrand und Sophie II fragt, was es denn für eine Suppe gebe. James antwortet "Carotte".
Alle löffeln fröhlich vor sich hin und sind sichtlich zufrieden mit La soupe aux carottes . Der Wein tut sein Übriges und die drei Damen prosten sich immer wieder zu. James serviert die Suppenteller ab und weiter geht's mit dem Hauptgang.
James kommt mit drei Tellern herein und beginnt wieder bei Sophie III. Sie fragt, was es denn gäbe, und James antwortet "Poisson aux légumes" (Fisch mit Gemüse). Bei Sophie II angekommen kommt dieselbe Frage rüber und von James dieselbe Antwort. Bei Sophie I ist das nicht anders. Das Pärchen ergibt sich einfach seinem Schicksal und nimmt den Fisch mit Gemüse. Die beiden unterhalten sich fröhlich und der Mann scheint amüsiert zu sein, dass die drei Damen etwas desorientiert sind. Sophie I, II und III nehmen den Fischgang zum Anlass, ihre Gläser zu erheben. Da macht die Frau des Pärchens auf einmal mit und prostet über die Tische hinweg den Sophies zu. Der Mann schaut ganz verdutzt und wird etwas kleiner.
Jetzt wird die Frau von Sophie I, II und III voll in ihr Gespräch einbezogen, und der Mann sitzt auf einmal irgendwie unfröhlich und mit verschränkten Armen am Tisch. Seine Frau findet das Gespräch mit den drei Damen, das immer wieder von Gekicher unterbrochen wird, einfach lustiger.
Mit fortschreitender Zeit und dem damit einhergehenden Weinkonsum ist der Mann, ich kann es nicht anders sagen, raus aus dem Abend. Er sitzt schnaufend, ja schon fast seufzend, mit seinen verschränkten Armen da, und damit er überhaupt was tut, schaut er in den Garten raus. Bei den inzwischen vier Damen scheint ein Brüller den anderen zu jagen, so lustig wie die sind.
James kommt mit dem Dessert, damit der Mann auch mal wieder eine Abwechslung hat. Es gibt Weintrauben. Die zupft er eine nach dem anderen langsam runter und isst sie. Irgendwie muss er ja die Zeit rumkriegen.
Ich war ja die ganze Zeit außen vor; was anderes blieb mir ja bei meinen Französischkenntnissen gar nicht übrig. Aber als ich aufstehe, um zu gehen, wenden sich alle vier Damen mir zuprostend und kichernd mit einem lauten "Bonsoir Monsieur" (Guten Abend der Herr) an mich. Ich nicke freundlich und erwidere ebenfalls mit einem "Bonsoir". Wie lange der Mann, den lustigen Abend noch ertragen musste, weiß ich nicht. Aber da sieht man mal, wie schnell die Fröhlichkeit umschlagen kann von einer Seite auf die andere. Ich fand meine neutrale Position in diesem Fall optimal.
Heute bekomme ich tatsächlich um 7:00 Uhr Frühstück, obwohl das eine Ausnahme ist. Da gab's nix zu meckern, und um 7:20 Uhr reite ich los. Es dämmert noch und ich sehe den Lichtkegel des Fahrrads noch ein wenig auf der Straße. Zum Aufwachen gibt's erstmal 5 Kilometer Wald- und Feldweg.
Nach dem Geholpere geht es auf kleinen Landstraßen dahin. Es ist Sonntag früh und der Franzose ist zumindest nicht auf der Straße unterwegs. Es ist still und friedlich. Das Wetter ist meist bedeckt und somit die Temperaturen angenehm. In Villeneuve-de-Marsan biege ich auf den EuroVelo 3 ab, den ich gestern auch schon unter den Rädern hatte. Eines muss ich sagen: "Auf ihre Radwege können sich die Franzosen was einbilden. Die sind wirklich toll!"
In letzter Zeit war ja immer von schweren Waldbränden südlich von Bordeaux berichtet worden. Diese Waldbrände betrafen den Regionalen Naturpark Landes de Gascogne. Diesen Naturpark streife ich auf meinem Weg in Richtung Südwesten, in dem ich auf Landstraßen und Waldwegen ein kleines Stück durchfahre. Mir kommt es nicht vor wie ein kleines Stück, aber wenn man sich die Ausmaße dieses immens großen Waldgebietes ansieht, dann kann man sagen, dass er eine der grünen Lungen in Europa ist. Ich sehe unendliche Nadelwälder, die sich dann wieder mit Laufwäldern abwechseln. Große Teile sind in Reih und Glied bepflanz, andere wirken von der Straße aus wie Urwald. Ich sehe, dass sehr viel getan wird, um den Wald zu erhalten oder sogar zu erweitern; eine wie ich meine, sehr, sehr wichtige Aufgabe. Der Wald speichert enorm viel Wasser, bindet CO2 und ist für viele andere Pflanzen aber auch Tiere Lebensraum. Nicht zu Letzt ist er aber auch Lebensgrundlage für uns Menschen.
Auf dem Bild rechts oben ist im Vordergrund eine Pflanze abgebildet, die ich nicht kenne, die mit aber schon öfters die letzten Tage begegnet ist. Kennt jemand diese Pflanze? Ich setzte große Hoffnung auf meine Freundin Sonja, die ein wandelndes Pflanzenlexikon ist. Sollte ich eine Antwort bekommen, gibt's natürlich hier im Blog die Auflösung, um welche Pflanze es sich handelt.
Auf meinem Weg komme ich irgendwann nach Mont-de-Marsan. Jetzt bin ich wieder in die Region Nouvelle-Aquitaine zurückgekehrt, wo ich auch bleibe, bis ich Frankreich verlassen werde. Dort steht die Stierkamparena Aèrenes du Plumaçon. Ja, auch in Südfrankreich gibt es Stierkampf, den ich absolut ablehne. Was ist denn das für eine feige Auseinandersetzung zwischen Mensch und Tier, bei der von Anfang an Sieger und Verlierer schon feststehen. Noch dazu wird der Stier vor dem eigentlichen Kampf durch Sperstöße so stark geschwächt, dass seine Chancen noch mehr sinken. Dass es eine solche Tierquälerei innerhalb der EU noch geben darf, ist für mich ein Skandal.
Also, es kommt zwar selten vor, aber ab und zu gewinnt auch mal der Stier, was ich dann ziemlich lustig finde.
So radle ich bis Mittag weiter am südlichen Rand des Regionalen Naturpark Landes de Gascogne entlang. Die letzten Tage dachte ich noch, dass ich bisher keinen einzigen TGV gesehen habe. Heute zieht einer in hohem Tempo an mir vorbei. Wenn ich durch kleinere Ortschaften fahre, winken die Menschen sogar manchmal freundlich. Das Gespann ist irgendwie immer wieder ein Hingucker.
Dann ist es soweit, und ich laufe in Saint-Paul-lès-Dax ein.
Dort bin ich im Best Western Hôtel Sourceo untergebracht. Ich komme um kurz vor 12:00 Uhr an. Der Check-In ist für 15:00 Uhr angegeben, und da gibt es auch überhaupt keine Gnade.
Ich bringe das Gespann erstmal in die Tiefgarage, und gehe dann zum Essen. Eines kann ich jetzt schon sagen. Das ist das schlechteste Best Western-Hotel, in dem ich jemals war. Es ist abgewohnt, die Teppiche auf den Fluren sind dreckig und in meinem Bad sind lange schwarze Haare. Ich vergebe liebend gerne 5 Sterne, aber hier wird es garantiert nur einen geben.
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Thomas (Mittwoch, 24 August 2022 00:14)
Hi Wolfi, was die Pflanze angeht, ziemlich schwierig nur nach deinem Bild. Einfacher wäre es gewesen, wenn du eine Nahaufnahme gemacht hättest ;-)
Ich gebe aber trotzdem einen Tipp ab: es ist Sorghum, das ist eine Hirse-Art. Stammt eigentlich aus Afrika, kommt mit trockenen Böden zurecht, würde passen für Südfrankreich. Kann als Futter oder für Biogas verwendet werden.
Viele Grüße,
Thomas
Wolfi (Mittwoch, 24 August 2022 07:32)
Servus Thomas,
mit deinem Tipp für die Pflanze liegst du goldrichtig. Ich habe mir Bilder im Internet angeschaut, und es ist Sorghum. Vielen Dank dafür. Dann kann ich das in meinem Blog veröffentlichen.
Liebe Grüße